Häufige Fragen: Umgang mit genetischen Daten
Die MII möchte Daten aus der Diagnostik und Behandlung von Patientinnen und Patienten sammeln und der medizinischen Forschung zur Verfügung stellen.
Bei der Untersuchung und Behandlung von Patientinnen und Patienten werden in Kliniken und Arztpraxen Daten erhoben und gespeichert (z. B. Diagnoseschlüssel, verschriebene Medikamente, Laborwerte, Röntgenbilder). Die Patientendaten werden normalerweise nur für die Diagnosestellung und Behandlung der Patientinnen und Patienten genutzt und nicht für die Forschung verwendet. Die Medizininformatik-Initiative (MII) möchte diese Patientendaten aus medizinischen Untersuchungen und Behandlungen für verschiedene medizinische Forschungszwecke nutzbar machen. Die Forschung hat die Verbesserung der Vorbeugung, Erkennung und Behandlung von Erkrankungen zum Ziel. Daher hat die MII Strukturen aufgebaut, um die Daten aus Diagnostik und Behandlung auch für Forschungsprojekte verfügbar zu machen. Die Daten werden ab dem Zeitpunkt der Einwilligung für 30 Jahre gespeichert, wenn nicht vorher ein Widerruf erfolgt. Die Patientinnen und Patienten erlauben die Nutzung ihrer Daten, indem sie der MII ihre Einwilligung zur Nutzung ihrer Patientendaten für medizinische Forschungszwecke geben.
Einige beteiligte Kliniken in der MII fragen die Patientinnen und Patienten auch, ob sie bereit sind, Biomaterialien, z. B. Blut, für die Forschung zur Verfügung zu stellen. Wenn die Patientinnen und Patienten dazu einwilligen, dürfen die Forschenden aus diesen Biomaterialien zusätzliche Daten extra für Forschungszwecke erzeugen, u. a. auch umfangreiche genetische Daten.
Einige beteiligte Kliniken in der MII möchten auch Biomaterialien von Patientinnen und Patienten für die Forschung sammeln und verfügbar machen. Aus den Biomaterialien können zusätzliche Daten für die Forschung gewonnen werden. Patientinnen und Patienten in einer dieser Kliniken werden dann gefragt, ob sie auch Biomaterialien zur Verfügung stellen möchten. Wenn sie dazu einwilligen, können Forschende zusätzlich zu den Daten, die ohnehin bei der medizinischen Diagnose und Behandlung anfallen, noch weitere Daten extra zu Forschungszwecken erzeugen, darunter auch umfangreiche genetische Daten.
Unter Biomaterialien versteht man Gewebeproben und Körperflüssigkeiten wie Blut, Urin, Stuhl, Speichel, Hirnwasser oder Tumorgewebe. Bei den Biomaterialien, welche Patientinnen und Patienten im Rahmen der MII der Forschung zur Verfügung stellen können, handelt es sich um Restmaterial, das zur Diagnose oder Behandlung entnommen und nach Abschluss der Behandlung nicht mehr benötigt wird. Oder es handelt sich um Material, das bei einem ohnehin medizinisch notwendigen Eingriff in kleiner Menge zusätzlich entnommen wird, z. B. ein wenig zusätzliches Blut bei einer Routine-Blutentnahme. Die Entnahme geringer zusätzlicher Mengen an Biomaterialien für die Forschung ist nur möglich, wenn die Patientinnen und Patienten vorher in einer entsprechenden separaten Frage dazu ihre ausdrückliche Einwilligung geben. Biomaterialien können für die Forschung nützlich sein. Wenn sie zur Verfügung gestellt werden, dann werden sie in Biomaterialbanken oder Biomaterialarchiven von Kliniken gelagert. Diese geben dann die Biomaterialien auf Anfrage an bestimmte Forschende oder Forschungsprojekte weiter.
Wichtig ist: Die meisten Biomaterialien, z. B. Blut, enthalten Zellen und damit das gesamte Erbgut (Genom) des Menschen. Mit der Einwilligung zur Nutzung von Biomaterialien für medizinische Forschungszwecke erlauben die Patientinnen und Patienten, dass Forschende zu Forschungszwecken genetische Daten (siehe Frage 3) aus ihren Biomaterialien gewinnen. Forschende dürfen dann gezielt einige genetische Daten aus dem Biomaterial erzeugen, sie dürfen aber auch alle Daten über das gesamte Erbgut (siehe Frage 4) erzeugen und zu Forschungszwecken nutzen. Forschende können dann also in großem Umfang (siehe Frage 5) zusätzlich genetische Daten allein zu Forschungszwecken erzeugen und nutzen, die im Rahmen der Diagnose und Behandlung nicht erzeugt und daher auch seitens des behandelnden Arztes nicht angesprochen wurden. Dazu geben Patientinnen und Patienten ihre Einwilligung, wenn sie die Nutzung ihrer Biomaterialien für medizinische Forschungszwecke im Rahmen der MII erlauben.
Genetische Daten sind Daten über das Erbgut einer Person oder über genetische Veränderungen (Varianten) in den Zellen.
Jede Körperzelle enthält genetische Informationen, also Informationen über das Erbgut einer Person. Das Erbgut (siehe Frage 4) wird zu einem sehr frühen Zeitpunkt der Entstehung eines Menschen bei der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle festgelegt. Durch äußere Einflüsse, z. B. Röntgenstrahlung, oder auch durch Zufall kann sich diese Erbinformation an einzelnen Stellen verändern (siehe Frage 9) (sogenannte "somatische Varianten"). Diese Veränderungen finden sich nicht in allen Körperzellen und werden nicht vererbt.
Genetische Daten können aus der Analyse jeder Körperzelle einer Person gewonnen werden, z. B. aus einer Blut‑, Gewebe- oder Speichelprobe einer Person. Genetische Daten können Auskunft über die ererbten oder erworbenen genetischen Eigenschaften (siehe Frage 9) der Person geben, von der das biologische Material stammt. Dazu zählen Eigenschaften wie Augen- oder Haarfarbe, aber unter Umständen auch die Veranlagung für bestimmte Krankheiten.
Das Erbgut eines Menschen nennt man auch "das Genom". Die (biologischen) Eltern vererben das Erbgut an ihre Kinder.
Das Erbgut stellt die Gesamtheit der genetischen Informationen eines Menschen dar. Vereinfacht kann man sich diese Information als „biologischen Bauplan“ eines jeden Menschen vorstellen. Beim Menschen liegt die genetische Information als DNA (Desoxyribonukleinsäure) im Zellkern jeder Körperzelle vor. DNA besteht aus einer Kette von vier verschiedenen Bausteinen. Diese Bausteine werden mit den Buchstaben A (Adenin), T (Thymin), C (Cytosin) und G (Guanin) dargestellt. Die genaue Abfolge der Bausteine (Buchstaben) entscheidet darüber, wie sich ein Organismus entwickelt, und prägt während seines Lebens wichtige Körperfunktionen.
In einer einzigen menschlichen Körperzelle befinden sich etwa sechs Milliarden DNA-Bausteine in zwei Sätzen von je 23 Chromosomen (Trägern des Erbguts). Die Bausteine bilden die Grundlage für insgesamt etwa 20.000 Gene und weitere zugehörige Bestandteile der DNA, die beispielsweise die Gene regulieren können.
Im Labor ist es möglich, die DNA (das Erbgut) aus menschlichen Zellen (oft aus Blut- oder Speichelproben) zu isolieren und die Abfolge ihrer Bausteine auszulesen (und mit den Buchstaben A, T, C und G darzustellen). Diesen Prozess nennt man Sequenzierung. DNA-Sequenzierung kann bereits seit den 1970er Jahren durchgeführt werden; damals war es jedoch nur möglich, wenige kurze Abschnitte der DNA zu analysieren. Heutzutage ist es möglich, die gesamte Erbinformation in wenigen Tagen oder Stunden auszulesen (zu sequenzieren). Oft wird aber nur die Information für wenige Abschnitte des Erbguts benötigt, um die Veranlagung für bestimmte Krankheiten zu erkennen oder gezielte und personalisierte Behandlungsmethoden auszuwählen. Je nach medizinischer Fragestellung werden daher unterschiedlich große Abschnitte des Genoms untersucht, bis hin zum gesamten Erbgut.
Bei der Analyse von genetischem Material werden kurze Abschnitte der DNA genutzt, und die Abfolge ihrer Bausteine (Sequenz), d. h. die Abfolge der Buchstaben A, T, C und G, wird ausgelesen. Die Abfolge der Bausteine (A, T, C und G) in diesen kurzen Abschnitten wird zunächst in Textform gespeichert. Daraus kann die Abfolge der Bausteine des untersuchten genetischen Materials durch einen Vergleich mit einem künstlich gebildeten “Durchschnittsgenom” (dem Referenzgenom) rekonstruiert werden. Durch Vergleiche zwischen dem Patientengenom und dem Referenzgenom kann man genetische Abweichungen (Varianten) erkennen und als Tabelle speichern. Bei Personen europäischer Abstammung ergeben sich bei einem Vergleich mit dem Referenzgenom für eine einzelne Person Abweichungen (Varianten (siehe Frage 8)) in etwa einem von 1000 Bausteinen. Die Größe der Datensätze (siehe Frage 13), d. h. die Menge der in Textform gespeicherten genetischen Daten, hängt stark davon ab, ob nur einige wenige Genabschnitte oder das gesamte Erbgut untersucht wurden und ob auch Daten zu genetischen Abweichungen erhoben und gespeichert werden. Wurde das gesamte Erbgut untersucht, entsteht eine Datenmenge mit einer Größe von bis zu 100 GigaBytes (GB).
Varianten sind Unterschiede, die zwischen dem Genom (siehe Frage 4) einer Person und einem künstlich gebildeten “Durchschnittsgenom” (dem Referenzgenom) entdeckt (siehe Frage 7) werden.
Das menschliche Referenzgenom ist eine international vereinheitlichte Erbinformation, die aus den Daten über die Genome mehrerer Personen zusammengesetzt ist. Genome werden über Generationen weitervererbt. Dabei entstehen kontinuierlich Varianten (Abweichungen), die jeden Menschen einzigartig machen. Daher sind geringe Abweichungen zwischen den Genomen verschiedener Menschen natürlich. In Daten aus einer Sequenzierung des gesamten Erbguts einer Person findet man bei einem Abgleich mit dem künstlich gebildeten Referenzgenom gewöhnlich Millionen solcher Varianten. Nur ein Bruchteil dieser Varianten spielt bei der Entstehung von Krankheiten eine Rolle. Gerade dieser kleine Anteil an Varianten ist aber derjenige, der für Ärztinnen und Ärzte sowie Forschende für das Verständnis, die Diagnose und die Behandlung von Erkrankungen von Bedeutung ist. Für viele Varianten ist die gesundheitliche Bedeutung bisher unklar.
Genetische Daten enthalten viele Informationen über die Besonderheiten einer Person, z. B. auch über die Wahrscheinlichkeit, in der Zukunft bestimmte Krankheiten zu bekommen. Genetische Daten werden deswegen besonders sorgfältig geschützt. Es ist aber wichtig, zwischen ererbten und erworbenen genetischen Eigenschaften zu unterscheiden. Ererbte genetische Eigenschaften werden von den Eltern auf die Kinder vererbt und bestehen stabil seit dem Zeitpunkt der Geburt (streng genommen seit Entstehung des Embryos). Sie können nicht nur auf die Veranlagung für bestimmte Krankheiten hinweisen, noch bevor es sichtbare Anzeichen für diese Krankheiten gibt, sondern auch von Generation zu Generation weitergegeben werden. Daher erlauben derart ererbte bzw. vererbliche genetische Daten unter Umständen auch Rückschlüsse auf gleiche oder ähnliche Veranlagungen bei Blutsverwandten (siehe Abschnitt 17.3).
Demgegenüber sind die erworbenen genetischen Eigenschaften einer Person im Laufe des Lebens und nur in bestimmten Körperzellen dieser Person hinzugekommen. Mit wenigen Ausnahmen werden erworbene genetische Eigenschaften auch nicht an die Nachkommen einer Person vererbt. Daten oder Informationen über erworbene genetische Eigenschaften sind daher nicht so sensibel wie die über ererbte Eigenschaften. Erworbene genetische Eigenschaften sind beispielsweise für die Untersuchung und Behandlung von Krebserkrankungen sehr wichtig, denn sie stellen diejenigen Faktoren dar, die Krebs auslösen und den Verlauf einer Krebserkrankung beeinflussen können.
Krebserkrankungen sind die Folge von unkontrolliertem Wachstum einzelner Körperzellen einer Patientin oder eines Patienten. Dieses Wachstum entsteht zumeist durch genetische Varianten in diesen Körperzellen. Häufig entstehen diese im Laufe des Lebens in einzelnen Körperzellen. Seltener können diese schon von Geburt an in jeder Körperzelle vorliegen. In Krebszellen findet man zumeist besonders viele genetische Varianten.
Für die Krebsmedizin ist es wichtig, genetische Varianten aufzuspüren, die das Tumorwachstum beeinflussen, damit Ärztinnen und Ärzte z. B. die Behandlung verbessern können. Deshalb wird bei der Diagnostik von Krebserkrankungen häufig nach einigen spezifischen Varianten gesucht, von denen eine Bedeutung für die Behandlung bekannt ist.
Vererbte genetische Varianten, die seit der Geburt in jeder Körperzelle vorhanden sind, können Hinweise auf das individuelle Risiko geben, an einer bestimmten Krebsform zu erkranken, und sind daher für die Früherkennung und Vorbeugung von Krebserkrankungen wichtig.
Um bei Krebserkrankungen genetische Eigenschaften aufzuspüren, die für das Tumorwachstum wichtig sind, wird bei einer genetischen Untersuchung häufig Material des Tumors entnommen und analysiert. In einigen Fällen wird die genetische Zusammensetzung des Tumors mit der von gesunden Körperzellen des Krebserkrankten (aus Blut oder Gewebe) verglichen. Es wird oft erst durch den Vergleich der genetischen Zusammensetzung möglich, zu unterscheiden, welche Eigenschaften spezifisch für den Tumor sind und welche in allen Körperzellen vorkommen, also schon immer in diesem Menschen vorhanden waren. Varianten, welche ausschließlich im Tumormaterial nachgewiesen werden können, sind sogenannte erworbene genetische Eigenschaften.
Auch erbliche genetische Eigenschaften können für die Krebserkrankung des Patienten oder der Patientin eine Rolle spielen. Das Wissen über diese ererbten Eigenschaften in gesunden Körperzellen kann auch für Blutsverwandte bedeutsam sein, da enge Verwandte mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit die gleiche Eigenschaft tragen (erbliche Krankheitsveranlagung).
Erworbene und ererbte genetische Eigenschaften können Ansatzpunkte für Behandlungen durch Medikamente sein. Diese Medikamente haben dann z. B. spezielle Wirkmechanismen, die genau auf bestimmte genetisch veränderte Stellen abzielen. Solche Medikamente sind z. B. für die Behandlung von Krebserkrankungen wichtig.
Genetische Daten aus der Diagnostik und Behandlung von Patientinnen und Patienten oder aus entnommenen Biomaterialien von Patientinnen und Patienten sollen der medizinischen Forschung zur Verfügung gestellt werden.
Es gibt zwei Wege, auf denen genetische Daten (siehe Frage 3) von Patientinnen und Patienten im Rahmen der MII für medizinische Forschung zur Verfügung gestellt werden können:
1) Genetische Daten aus der Diagnostik und Behandlung: Die MII sammelt Daten aus der Diagnostik und Behandlung von Patientinnen und Patienten (siehe Frage 1) und stellt diese Patientendaten verschiedenen Forschungsprojekten zur Verfügung. Wenn zu den Patientendaten auch genetische Daten gehören, können auch diese genetischen Daten in der Medizininformatik-Initiative gesammelt und zur Verfügung gestellt werden. Bei vielen Erkrankungen, z. B. einer Blinddarmentzündung, werden bei der Diagnostik und Behandlung gewöhnlich keine genetischen Daten der Patientinnen und Patienten erhoben. Bei anderen Erkrankungen spielen genetische Daten für die Diagnosestellung und Behandlung von Patientinnen und Patienten aber eine zunehmend größere Rolle. Aktuell werden genetische Daten vorwiegend in der Humangenetik, Onkologie und in der Pathologie erzeugt, z. B. bei seltenen erblich bedingten Erkrankungen oder bei Krebserkrankungen. In der MII werden genetische Daten beispielsweise von Patientinnen und Patienten aus der Krebsmedizin, Nervenheilkunde und Inneren Medizin gesammelt. Wenn die Patientinnen und Patienten in die Forschungsnutzung ihrer Daten einwilligen, können auch ihre genetischen Daten in den Datenzentren der MII gespeichert und standortübergreifend für Forschungsprojekte und Studien zur Verfügung gestellt werden.
Welche und wie viele genetische Daten aus der Diagnostik und Behandlung des jeweiligen Patienten oder der jeweiligen Patientin für die Forschung gesammelt und durch die MII der Forschung zur Verfügung gestellt werden können, hängt davon ab, welche und wie viele genetische Daten bei den medizinischen Untersuchungen (siehe Frage 13) der jeweiligen Patientinnen und Patienten entstehen.
2) Genetische Daten aus Biomaterialien: Einige Klinik-Standorte der MII möchten auch Biomaterialien von Patientinnen und Patienten (siehe Frage 2), wie z. B. eine kleine Menge Blut, sammeln, lagern und der Forschung zur Verfügung stellen. Diese Biomaterialien beinhalten oft das gesamte Erbgut (siehe Frage 4) (Genom) des Patienten bzw. der Patientin. Aus diesen Biomaterialien können Forschende genetische Daten erzeugen, die nicht schon zum Zweck der Diagnose und Behandlung erzeugt wurden. Es können dabei auch sehr große zusätzliche Mengen genetischer Daten erzeugt werden, die das gesamte Erbgut (Genom) des Patienten bzw. der Patientin abbilden. Wenn die Patientinnen und Patienten in die Forschungsnutzung ihrer Biomaterialien einwilligen, erlauben sie, dass Forschende extra zu Forschungszwecken aus den Biomaterialien genetische Daten erzeugen und für medizinische Forschungsprojekte nutzen.
Für beide Wege, auf denen genetische Daten zu Forschungszwecken in die MII gelangen, gilt: Genetische Daten werden in der MII nur genutzt, wenn dies rechtlich zulässig (siehe Frage 21) ist und umfangreiche technische und organisatorische Maßnahmen zum Schutz (siehe Frage 20) der Daten (und Biomaterialien) bestehen.
Forscherinnen und Forscher setzen teilweise große Hoffnung in die Forschung mit genetischen Daten. Diese Nutzung für die Forschung (siehe Frage 14) soll dabei helfen, in Zukunft Krankheiten besser zu verstehen, früher zu erkennen und zielgenauer zu behandeln. Voraussetzung hierfür ist jedoch die erfolgreiche Forschung mit genetischen Daten von möglichst vielen Patientinnen und Patienten.
Erster Fall: Wenn ein Patient oder eine Patientin nur dazu einwilligt, dass die Daten aus Diagnostik und Behandlung (siehe Frage 1) der Forschung zur Verfügung gestellt werden, ist es wie folgt: welche und wie viele genetische Daten für die medizinische Forschung zur Verfügung gestellt werden, hängt von der Erkrankung und den medizinischen Untersuchungen des Patienten bzw. der Patientin ab. Bei einigen Erkrankungen werden in der Routine nur ganz gezielt einige wenige genetische Daten erhoben – beispielsweise über eine einzige Variante (siehe Frage 8) im Erbgut (siehe Frage 4), die für die Wirksamkeit eines Medikaments bedeutend ist. Bei anderen Erkrankungen wird für die Untersuchung eine größere Zahl von Abschnitten des Erbguts (kurze Abfolgen von DNA-Bausteinen (siehe Frage 7)) untersucht (z. B. 30–800 Abschnitte).
Bei manchen Erkrankungen wie z. B. seltenen Krankheiten oder Entwicklungsstörungen müssen für die Diagnosestellung große Teile des Erbguts oder gar das ganze Erbgut des Patienten bzw. der Patientin untersucht und dabei dann auch genetische Daten in sehr großem Umfang erzeugt werden. Der Umfang genetischer Daten eines Patienten bzw. einer Patientin, die von der MII gesammelt und der Forschung zur Verfügung gestellt werden können, hängt also von der durchgeführten Diagnostik und Behandlung im Rahmen der klinischen Versorgung der Patientinnen und Patienten ab.
Zweiter Fall: Wenn ein Patient oder eine Patientin auch dazu einwilligt, dass Biomaterialien (siehe Frage 2) von ihm bzw. ihr für die Forschung verwendet werden dürfen, ist es wie folgt: ob genetische Daten für die medizinische Forschung zur Verfügung gestellt werden und, wenn ja, welche und wie viele, hängt von den einzelnen Forschungsprojekten ab, die Teile des Biomaterials erhalten und für ihre Forschung verwenden dürfen. Zu den Forschungsvorhaben, die Biomaterialien erhalten und verwenden, können auch genetische Untersuchungen zählen, einschließlich Untersuchungen des genetischen Erbguts, z. B. auf angeborene genetisch bedingte Erkrankungen oder erworbene genetische Veränderungen, unter anderem auch von Tumoren. Dies kann unter Umständen auch eine Untersuchung der gesamten Erbsubstanz (siehe Frage 2) (Genom) umfassen. Es hängt also von den einzelnen Forschungsprojekten ab, ob genetische Daten erzeugt werden und wie viele genetische Daten erzeugt und verwendet werden.
Die genetischen Patientendaten aus Kliniken und Praxen sind für die Forschung wichtig, um die Entstehung, Erkennung und Behandlung von Erkrankungen zu erforschen.
Damit Forschende Krankheiten und ihre genetischen Mechanismen besser verstehen können, vergleichen sie Krankheitsverläufe mit den genetischen Varianten (siehe Frage 8) der Patientinnen und Patienten. Da viele genetische Varianten recht selten sind, müssen sie dafür Daten von hunderten oder tausenden Patientinnen und Patienten zusammenführen und untersuchen. Die Nutzung genetischer Daten in der Forschung ist daher von großer Bedeutung, um Wissen über Krankheiten zu erlangen und neue Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten zu entwickeln, um zukünftigen Patientinnen und Patienten besser helfen zu können.
Nachdem mit den genetischen Daten von Patientinnen und Patienten erfolgreich geforscht wurde, können die Daten in speziellen, nicht-öffentlich zugänglichen wissenschaftlichen Datenbanken zum Zwecke der Überprüfung von Forschungsergebnissen gespeichert werden.
Wenn Forschende bei den Analysen der Patientendaten aus der MII auf interessante Erkenntnisse gestoßen sind, möchten die Forschenden diese Forschungsergebnisse gewöhnlich in Form eines wissenschaftlichen Artikels in einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift veröffentlichen. Vor der Veröffentlichung in Fachzeitschriften werden die Ergebnisse zusammengefasst und anonymisiert, d. h. es kann aus den zu veröffentlichenden Forschungsergebnissen selbst kein Rückschluss auf die Identität der Patientinnen und Patienten gezogen werden.
Einige wissenschaftliche Fachzeitschriften verlangen jedoch, dass alle Daten der Patientinnen und Patienten, aus denen die Forschenden bei ihrer Arbeit die Forschungsergebnisse ursprünglich gewonnen haben, zugänglich sind. Andere Forschende sollen diese Daten zum Zwecke der Überprüfung der Forschungsergebnisse nutzen können. Die Überprüfbarkeit (durch Replikation oder Reproduktion) von Forschungsergebnissen ist eine wichtige Bedingung für die wissenschaftliche Qualität von Fachartikeln und damit der gesamten Wissenschaft. Um die Anforderungen der Fachzeitschriften zu erfüllen und Überprüfbarkeit zu ermöglichen, werden daher in einigen Fällen genetische Daten von Patientinnen und Patienten (stets ohne Namen oder andere direkt identifizierende Angaben) in besonders geschützten und vertrauenswürdigen wissenschaftlichen Datenbanken gespeichert. Die in den Datenbanken gespeicherten genetischen Daten sind nicht für die Allgemeinheit zugänglich. Nur Forscherinnen und Forscher, die einen Antrag stellen, können, wenn ihr Antrag bewilligt wird, Zugang zu diesen Daten erhalten und sie dann für die Überprüfung der Forschungsergebnisse nutzen.
Zweck der geplanten Forschung ist es, Diagnoseverfahren und Therapien für zukünftige Patientinnen und Patienten zu verbessern, aber nicht, den Patientinnen und Patienten, welche ihre Daten zur Verfügung stellen bzw. gestellt haben, zu helfen.
Es ist unwahrscheinlich, dass die Patientinnen und Patienten, von denen die Daten kommen, von der Forschung mit ihren genetischen Daten persönlich profitieren werden. Es gibt vor allem zwei Gründe, weshalb sich aus der Forschung mit genetischen Daten mit aller Wahrscheinlichkeit kein Nutzen für die Behandlung der Patientinnen und Patienten, von denen die Daten kommen, ergeben wird. Erstens ist der Weg vom Sammeln der Daten über die Forschung bis hin zu einer spürbaren Verbesserung der Diagnose und Behandlung von Patientinnen und Patienten gewöhnlich kompliziert und dauert einige Jahre. Zweitens können genetische Daten nicht nur für die Erforschung der spezifischen Erkrankung der Patientinnen und Patienten verwendet werden, sondern auch für die Erforschung weiterer Erkrankungen anderer Patientinnen und Patienten.
Es ist jedoch nicht völlig ausgeschlossen, dass Forscherinnen und Forscher im Laufe ihrer Untersuchungen an den Patientendaten auf Informationen stoßen, die für die datengebende Patientin bzw. den datengebenden Patienten persönlich gesundheitsrelevant (siehe Frage 23) sein können.
Genetische Daten weisen einige Eigenschaften auf, wegen denen sie eine besondere und besonders sensible Art von Daten sind.
17.1 Einzigartigkeit und Identifizierbarkeit
Jeder Mensch, mit Ausnahme eineiiger Zwillinge, hat ein einzigartiges Erbgut. Wenn man Daten über das Erbgut einer Person hat, können die Daten grundsätzlich dieser Person eindeutig zugeordnet werden. Die Daten bilden eine Art genetischen Fingerabdruck. Es ist also grundsätzlich möglich, eine Person anhand ihrer genetischen Daten zu identifizieren. Es hängt aber von Art und Umfang (siehe Frage 13) der genetischen Daten ab, ob die Daten wirklich einen einzigartigen Fingerabdruck bilden. Wenn man nur sehr wenige genetische Daten des Erbguts (siehe Frage 4) eines Menschen hat (z. B. einen einzigen DNA-Baustein des Erbguts), bilden solche Daten gewöhnlich keinen einzigartigen Fingerabdruck. Anders ist es hingegen, wenn man Daten über ganze Abschnitte des Erbguts einer Person hat oder wenn Daten über viele Varianten (siehe Frage 8) des Erbguts einer Person in einem Datensatz enthalten sind. Sie sind dann einzigartig wie ein Fingerabdruck und können, wenn sie mit genetischen Daten und persönlichen Angaben zur Person aus einer anderen Quelle kombiniert (siehe Frage 22) werden, die Person identifizieren (siehe Abschnitt 18.1).
17.2 Sensible Informationen über die Person
Aus genetischen Daten lassen sich Informationen über genetische Veranlagungen oder Risiken für bestimmte zukünftige Erkrankungen gewinnen. Auch über das Aussehen einer Person, z. B. über die Augenfarbe, können Informationen gewonnen werden. Anhand genetischer Daten lassen sich auch Schlussfolgerungen darüber ziehen, mit wem eine Person biologisch verwandt ist, z. B. über biologische Vaterschaften. Weiterhin kann aus genetischen Daten abgeleitet werden, ob eine Person Träger bestimmter genetischer Erkrankungen oder Eigenschaften ist, die im Falle der Fortpflanzung ein Risiko für die Gesundheit des Kindes darstellen können.
17.3 Betroffenheit von Blutsverwandten
Eltern vererben ihr Erbgut (siehe Frage 4) an ihre Kinder. Eng verwandte Familienmitglieder wie Eltern, Kinder oder Geschwister haben daher ein ähnliches Erbgut und mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit die gleichen genetischen Eigenschaften. Aus dem Erbgut einer Person kann man daher nicht nur Informationen über die Person selbst gewinnen, sondern mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auch Rückschlüsse auf die Verwandten ziehen. Wenn beispielsweise eine Frau weiß, dass ihre Brustkrebserkrankung auf einem erblichen “Brustkrebsgen” beruht, so liegt die Wahrscheinlichkeit, dass auch ihre Tochter das veränderte “Brustkrebsgen” geerbt hat, bei ca. 50 Prozent. Wenn die Tochter das “Brustkrebsgen” geerbt hat, dann hat sie ein beachtliches Risiko, im Laufe ihres Lebens ebenfalls an Brustkrebs zu erkranken: Von 100 Frauen mit einem Brustkrebsgen erkranken etwa 70 im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs.
17.4 Große Unterschiede im Umfang der genetischen Daten
Genetische Daten über eine Person können in sehr unterschiedlichen Mengen (siehe Frage 13) erzeugt werden: von einem einzigen Datenpunkt bis hin zu Daten über Milliarden von DNA-Bausteinen. Ob die Identifizierung (siehe Abschnitt 18.1) einer Person möglich ist und wie viele Informationen über die Person selbst und ihre Verwandten enthalten sind, hängt einmal von der Menge der genetischen Daten ab und zum anderen davon, ob diese ererbte oder erworbene Varianten (siehe Frage 9) widerspiegeln.
17.5 Wahrscheinlichkeitscharakter der meisten genetischen Informationen
Die meisten medizinisch bedeutsamen genetischen Varianten (siehe Frage 8) verursachen nicht einfach den Ausbruch einer Erkrankung. Sie erhöhen oft nur die Wahrscheinlichkeit dafür, dass eine bestimmte Krankheit ausbrechen kann. Informationen über bestimmte genetische Varianten sagen daher oft nur etwas über Wahrscheinlichkeiten bzw. Risiken für mögliche Erkrankungen aus. Allgemein kann die Kenntnis über bestehende genetische Risiken für einen Menschen in seinem Alltag auch belastend sein. Andererseits kann dieses Wissen dazu führen, dass man manche Erkrankungen bereits in einem frühen, gut behandelbaren Stadium entdecken und in einigen Fällen durch Vorbeugung sogar ganz verhindern kann.
17.6 Besonderheiten genetischer Daten im Vergleich zu anderen Daten von Patientinnen und Patienten
Genetische Daten weisen bestimmte Besonderheiten auf und werden deshalb mit großer Vorsicht erzeugt und verwendet. Andere Daten oder Informationen über Patientinnen und Patienten können jedoch ebenfalls von großer Bedeutung und Sensibilität sein, z. B. Daten zu einer HIV-Infektion oder einer psychischen Erkrankung. Es werden daher nicht nur genetische Daten gut geschützt, sondern alle Patientendaten.
Es existieren verschiedene mögliche Risiken für Patientinnen und Patienten und für Blutsverwandte solcher.
Bestimmte Risiken für die Patientinnen und Patienten, die ihre genetischen Daten zu Forschungszwecken zur Verfügung stellen, und deren Blutsverwandte, können nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Diese Risiken ergeben sich weitgehend aus den oben genannten Besonderheiten genetischer Daten (siehe Frage 17).
Bezüglich dieser Risiken ist grundsätzlich zu beachten, dass die Größe und Schwere der Risiken von der Art und Menge (siehe Frage 13) genetischer Daten abhängt. Wenn nur sehr wenige genetische Daten erzeugt und der Forschung zur Verfügung gestellt werden, bergen diese Daten geringere Risiken als im Falle sehr großer Mengen genetischer Daten.
Konkret ergeben sich für eine Person unter anderem die folgenden Risiken:
18.1 Identifizierung der Person anhand ihrer genetischen Daten
Da das Erbgut (siehe Frage 4) des Menschen einmalig (siehe Abschnitt 17.1) ist (mit Ausnahme eineiiger Zwillinge), können genetische Daten einfacher als andere medizinische Daten der zugehörigen Person zugeordnet werden, selbst wenn die Daten ohne direkt identifizierende Angaben wie etwa Namen oder Adressen vorliegen. Wenn z. B. eine Person zur Ahnenforschung im Internet genetische Daten zusammen mit Angaben über ihren Namen, ihre Adresse oder ihre Region veröffentlicht hat, dann wird es für Dritte leichter, diese Person zu identifizieren. Im Vergleich zu Laborwerten oder Röntgenbildern bergen genetische Daten somit ein erhöhtes Risiko der Identifizierung.
18.2 Gewinnung sensibler Informationen über die Patientinnen und Patienten
Unter bestimmten Bedingungen könnte jemand aus genetischen Daten illegal Informationen über die Person gewinnen. Wenn z. B. bei der Behandlung von Patientinnen und Patienten eine größere Menge genetischer Daten erzeugt wurde und sich jemand illegal Zugriff zu diesen Daten verschafft und in der Lage ist, die Daten auszuwerten, dann könnte er Informationen (siehe Abschnitt 17.2) über die Patientinnen und Patienten gewinnen, z. B. über Verwandtschaftsverhältnisse oder genetische Krankheitsveranlagungen. Um aber wirklich zu wissen, von welcher Person die Daten stammen, muss man diese Person identifizieren – wozu man gewöhnlich noch zusätzlich weitere persönliche Daten über die Person von anderen Stellen braucht.
18.3 Verwendung von genetischen Informationen zum Nachteil (Diskriminierung) von Patientinnen und Patienten
Wenn jemand illegal bestimmte Informationen aus den genetischen Daten einer Person gewonnen hat, dann können die entsprechenden Informationen (siehe Abschnitt 17.2) theoretisch zum Nachteil dieser Personen verwendet werden. Es kann dann nicht ausgeschlossen werden, dass Personen wegen dieser Daten diskriminiert werden.
- Versicherungen: Es ist theoretisch denkbar, dass ein Versicherungsunternehmen Informationen über bestimmte Krankheitsveranlagungen einer Patientin bzw. eines Patienten erfährt und deshalb mit dieser Person keinen Versicherungsvertrag mehr abschließen möchte oder nur zu erhöhten Kosten. In Deutschland verbietet allerdings das Gendiagnostik-Gesetz bis zu einer gewissen Höhe der Versicherungsleistung, dass zu medizinischen Zwecken erhobene genetische Daten von Versicherern verwendet werden (§ 18 GenDG). (Siehe dazu auch Rechtlicher Schutz (siehe Frage 21))
- Arbeitgeber: Es ist theoretisch denkbar, dass ein Arbeitgeber von bestimmten genetischen Krankheitsveranlagungen erfährt und deshalb einer Person keinen Vertrag, keine Vertragsverlängerung oder Vertragsverbesserung anbietet. In Deutschland verbietet allerdings das Gendiagnostik-Gesetz, dass zu medizinischen Zwecken erhobene genetische Daten von Arbeitgebern verwendet werden (§ 19 GenDG). (Siehe dazu auch Rechtlicher Schutz (siehe Frage 21))
18.4 Mögliche Belastungen durch die Rückmeldung von Zusatzinformationen
Es ist möglich, dass bei der Analyse von genetischen Daten zu Forschungszwecken etwas entdeckt wird, was man einer Patientin bzw. einem Patienten zum eigenen gesundheitlichen Nutzen zurückmeldet. Mit einer solchen Rückmeldung (siehe Frage 23) können aber auch Belastungen oder Risiken (siehe Frage 25) verbunden sein.
18.5 Risiken für Blutsverwandte
Die Risiken für die Patientinnen und Patienten gelten in abgeschwächter Form auch für die Blutsverwandten (siehe Abschnitt 17.3) derjenigen. Bei illegalem Zugriff oder illegaler Nutzung der genetischen Daten ist es theoretisch auch möglich, aus den genetischen Daten von Patientinnen und Patienten auch Informationen über ihre Verwandten zu gewinnen. Die genetischen Daten könnten z. B. unter bestimmten Umständen und in Verbindung zu anderen Daten von anderen Stellen dazu herangezogen werden, Verwandte zu identifizieren oder Kenntnisse über Verwandtschaftsverhältnisse oder über bestimmte erbliche Erkrankungsveranlagungen von Verwandten zu gewinnen.
Es gibt unseres Wissens kaum Belege für konkrete Schädigungen oder Nachteile für Patientinnen und Patienten im Zuge der Nutzung ihrer genetischen Daten für die Forschung. Es gibt Berichte darüber, dass Daten von Patientinnen und Patienten „gehackt“ wurden oder z. B. auch im sogenannten Darknet illegal zum Verkauf angeboten werden. Dabei handelt es sich aber praktisch immer um Daten aus der normalen Krankenversorgung und nicht um Daten von Patientinnen und Patienten, die in der Forschung genutzt werden und daher auch nicht speziell um genetische Daten von Patientinnen und Patienten, die der Forschung zur Verfügung gestellt wurden. Aktuell liegen uns also keine Berichte über tatsächlich eingetretene Schäden für Patientinnen und Patienten vor, deren genetische Daten in der Forschung genutzt werden. Mit Blick auf die Zukunft und mögliche neuartige technische Entwicklungen, die auch neue missbräuchliche Verwendungen ermöglichen können, lassen sich zukünftige neue Risiken aber nicht ausschließen. Es sei in jedem Fall auch nochmals darauf hingewiesen, dass die Risiken auch nicht immer gleich sind, sondern prinzipiell anwachsen mit der Menge (siehe Frage 13) der genetischen Daten.
Die MII unternimmt erhebliche technische und organisatorische Maßnahmen und Anstrengungen, um generell alle Daten einschließlich genetischer Daten von Patientinnen und Patienten zu schützen.
20.1 Beschränkung auf notwendige Verarbeitungen
Bevor genetische Daten in Forschungsprojekten verwendet werden, wird im Regelfall mit Hilfe von Machbarkeitsanfragen geklärt, ob für die wissenschaftliche Fragestellung überhaupt ausreichend Daten zur Verfügung stehen. So können unnötige Verarbeitungsschritte, die auch mit Risiken für die betroffenen Patientinnen und Patienten verbunden sind, verhindert werden.
Wenn geklärt ist, dass eine wissenschaftliche Fragestellung mit Hilfe der Daten beantwortet werden kann, muss das zugehörige Forschungsprojekt von einer nach Landesrecht gebildeten Ethikkommission beraten und geprüft werden. Nur nach einem positiven Ergebnis dieser Beratung und Prüfung kann das Projekt in der MII durchgeführt werden. Nur nach einer positiven Prüfung durch eine Ethikkommission kann ein Projekt in der MII Zugang zu Patientendaten beantragen. In einem weiteren Schritt prüft dann ein Gremium (Data Use and Access Committee) des Krankenhauses, das mit Fachleuten aus unterschiedlichen Bereichen besetzt ist, jeden Antrag auf Zugang zu Daten. Hier wird insbesondere geprüft, ob es eine ausreichende Rechtsgrundlage, wie etwa eine informierte Einwilligung, dafür gibt, dass das Forschungsprojekt die beantragten Daten verwenden darf. Nur wenn das Gremium dem Antrag zustimmt, werden die Daten aus dem jeweiligen Klinikum auch in das Forschungsprojekt eingeschlossen.
Das Gremium des Krankenhauses (Data Use and Access Committee) prüft zudem, ob die wissenschaftliche Fragestellung es überhaupt erfordert, dass Daten das Klinikum verlassen müssen. In vielen Fällen können wissenschaftliche Fragestellungen auch mit sogenannten verteilten Analysen beantwortet werden. Dann bleiben die Daten vor Ort in der behandelnden Einrichtung und werden dort analysiert und ausgewertet. Nur die Ergebnisse der jeweils an jedem beteiligten Standort durchgeführten Analyse werden dann dem Forschungsprojekt zur Verfügung gestellt. Auch diese Maßnahme verhindert unnötige Übermittlungen und Verarbeitungen von sensiblen Daten und begrenzt somit Risiken für die betroffenen Patientinnen und Patienten.
Wissenschaftliche Forschung zeichnet sich dadurch aus, dass die Ergebnisse eines Forschungsprojekts auch durch andere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler überprüfbar sind. Hierfür müssen die Einzeldaten, die ausgewertet wurden und zu den Ergebnissen geführt haben, im Regelfall zehn Jahre aufbewahrt werden. Die MII als spezialisierte Infrastruktur für die sichere Aufbewahrung sensibler Patientendaten übernimmt für die Forschungsprojekte diese langfristige Aufbewahrung zum Zwecke der Nachvollziehbarkeit von Forschungsprojekten und verhindert damit eine langfristige Aufbewahrung der sensiblen Daten in unterschiedlichen externen Forschungseinrichtungen. Damit verbleibt die langfristige Kontrolle über diese Daten bei den an der MII beteiligten Einrichtungen, und Risiken, die mit einer wenig geregelten Aufbewahrung der Daten in externen Einrichtungen verbunden sein könnten, werden ausgeschlossen.
20.2 Codierung und Beschränkung auf notwendige Daten
Da unmittelbar identifizierende Daten, wie etwa Namen und Anschriften, für die Beantwortung von wissenschaftlichen Fragestellungen keine Rolle spielen, werden sie frühzeitig von den medizinischen Daten getrennt und durch zufällige Zeichencodes ersetzt. Dieser Vorgang wird in der MII „Codierung“ genannt. Die unmittelbar identifizierenden Daten werden getrennt aufbewahrt und nur dann zur Verfügung gestellt, wenn dies z. B. für eine Kontaktaufnahme mit einzelnen Patientinnen und Patienten notwendig ist.
Diese Codierung geschieht schon bei der dauerhaften Speicherung der Daten in jedem an der MII beteiligten Klinikum. Bevor Daten an externe Forscherinnen und Forscher herausgehen, werden die im Klinikum vorhandenen Zeichencodes nochmal durch neue Zeichencodes ersetzt, so dass eine Zuordnung zur betroffenen Person noch weiter erschwert wird. Nur ein sehr kleiner Personenkreis ist danach unter strengen Auflagen berechtigt und in der Lage, die Daten wieder mit den zugehörigen Patientinnen und Patienten in Verbindung zu bringen.
Bei jeder Bereitstellung von Daten für ein Forschungsprojekt wird zudem überprüft, welche Daten genau für die Beantwortung der wissenschaftlichen Fragestellung benötigt werden. Nur diese werden herausgegeben oder auch für verteilte Analysen bereitgestellt.
20.3 Technische Absicherung der Verarbeitung
Ein Kennzeichen der MII ist die dezentrale Datenhaltung. Das heißt, dass die Patientendaten dauerhaft in den behandelnden Einrichtungen bzw. den Klinikums-Standorten verbleiben und nur für einzelne konkrete Forschungsprojekte bereitgestellt und ggf. auch an externe Forscherinnen und Forscher übermittelt werden. Somit ist zunächst die Sicherheit der Daten in den klinischen Standorten, die fast alle Universitätskliniken sind, zu gewährleisten. Generell gilt, dass diese Einrichtungen in die Behandlung von Patientinnen und Patienten eingebunden sind und als Standorte der Maximalversorgung mit großen jährlichen Fallzahlen auch nach § 6 der BSI-Kritisverordnung zu den kritischen Infrastrukturen zählen (d.h. entsprechend der Verordnung zur Bestimmung Kritischer Infrastrukturen nach dem Gesetz des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik). Insofern gelten für diese Standorte erhöhte Anforderungen in Bezug auf die IT-Sicherheit. Damit kann für diese Standorte eine umfangreiche Erfahrung im Umgang mit sensiblen Patientendaten sowie mit Verfahren zum Schutz dieser Daten vorausgesetzt werden. Die ausführliche Beschreibung aller Sicherheitsmaßnahmen findet sich in jeweiligen Datenschutzkonzepten der Standorte.
Darüber hinaus gelten für Datenübermittlungen zwischen teilnehmenden Standorten der MII sowie an externe Forschungsprojekte besondere Sicherheitsbestimmungen, die z. B. die Verschlüsselung der Daten nach dem Stand der Technik, die Überprüfung aller Kommunikationsteilnehmer sowie die ausführliche Protokollierung einschließen.
Weitere Vorgaben betreffen zentrale Stellen in der MII, die z. B. Patientendaten von mehreren Standorten kurzzeitig zusammenführen, bevor sie an externe Forschungsprojekte übermittelt werden. Alle diese Vorgaben sind im übergreifenden Datenschutzkonzept der MII ausführlich dargestellt (siehe hier).
Genetische Daten werden durch mehrere Gesetze und in der MII noch zusätzlich durch spezielle vertragliche Vereinbarungen geschützt.
21.1 Rechtlicher Schutz genetischer Daten durch Gesetze
Wegen ihrer Besonderheiten werden genetische Daten in der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) der EU, die seit 2018 geltendes Recht in allen Mitgliedsstaaten ist, für „besonders schutzwürdig“ erklärt (DSGVO Art. 9 Abs. 1). Für den Umgang mit genetischen Daten, d. h. für ihre Erzeugung, Speicherung, Weitergabe und Nutzung gelten daher europaweit strenge Regeln.
Genetische Daten werden in der Krankenversorgung und der medizinischen Forschung in Deutschland in Datenbanken gespeichert, deren Zugang besonders streng gesichert ist. Eine Herausgabe der Daten ist nur an solche Forschungseinrichtungen erlaubt, die den Anforderungen der DSGVO genügen.
In Deutschland verbietet das Gendiagnostikgesetz (GenDG) eine Benachteiligung von Personen aufgrund ihrer genetischen Eigenschaften. Insbesondere dürfen Arbeitgeber und Versicherungen niemanden aus genetischen Gründen schlechter- oder besserstellen als andere. Einzige Ausnahme (§ 18 GenDG Abs. 1): Versicherungen ist es erlaubt, genetische Daten aus vorangegangenen medizinischen Untersuchungen zur Risikobewertung zu verwenden, wenn die fragliche Versicherungssumme einen bestimmten Wert (derzeit 300.000 €) überschreitet. Das Vorliegen einer entsprechenden genetischen Veränderung kann also dazu führen, dass eine Versicherung in darüberhinausgehender Höhe nicht mehr abgeschlossen werden kann.
Das GenDG gilt zwar nur für genetische Daten aus der Krankenversorgung. Da aber gerade Versorgungsdaten im Zentrum der Arbeit der Medizininformatik-Initiative stehen, bietet das GenDG an dieser Stelle einen weitgehenden Schutz vor dem Missbrauch genetischer Daten. Für Daten, die zu Forschungszwecken erzeugt werden, hat das GenDG keine Gültigkeit. Deren Missbrauch wird durch das allgemeine Datenschutzrecht verboten. Außerdem wird möglichem Missbrauch durch technische und organisatorische Maßnahmen (siehe Frage 20) entgegengewirkt.
21.2 Rechtlicher Schutz genetischer Daten durch vertragliche Vereinbarungen der MII
Darüber hinaus gilt in der MII, dass jegliche Verarbeitung genetischer Daten (und anderer Patientendaten) immer einer vertraglichen Regelung unterliegt. In diesen Verträgen werden alle datenschutzrechtlichen Zuständigkeiten der einzelnen Beteiligten festgelegt. Im Rahmen eines Teilnahme-Rahmenvertrags haben sich so alle an der MII beteiligten Institutionen auf gemeinsame Standards und Zuständigkeiten für die Verarbeitung sensibler Daten sowie eine übergreifend geltende Nutzungsordnung festgelegt. Für jegliche Bereitstellung von genetischen oder anderen medizinischen Daten in der MII ist der Abschluss eines standardisierten Nutzungsvertrag zwingende Voraussetzung. Dieser verpflichtet die Nutzerinnen und Nutzer (die Forscherinnen und Forscher) beispielsweise darauf, alle sensiblen Patientendaten nach Abschluss des Projekts zu löschen und das gegenüber einer koordinierenden Stelle in der MII auch zu bestätigen. Zudem verbieten diese Verträge ausdrücklich die Weitergaben der Daten an unbefugte Dritte sowie jeden Versuch, einen Patienten bzw. eine Patientin anhand der Daten zu identifizieren (siehe Abschnitt 17.1).
Um sich zu schützen, sollten Patientinnen und Patienten (und jedermann) davon absehen, genetische Daten im Internet hochzuladen, insbesondere in ungeschützten/frei zugänglichen Datenbanken oder zusammen mit dem Namen oder anderen Angaben zur Person.
In den Zeiten der weltweiten Verknüpfungen von Daten über das Internet ist es unter bestimmten Voraussetzungen möglich, genetische Daten – auch wenn sie codiert (siehe Abschnitt 20.2) sind - der datengebenden Person wieder zuzuordnen. Eine solche unerwünschte Zuordnung (Identifizierung (siehe Abschnitt 18.1)) wird umso leichter, je größer die Menge (siehe Frage 13) an genetischen Einzelinformationen ist, die zur Verfügung steht. Vor diesem Risiko kann man sich schützen, indem man keine genetischen Informationen von sich selbst oder der Familie im Internet preisgibt. Insbesondere sollte man keine genetischen Daten in Verbindung mit persönlichen Angaben wie Name, Geburtsdatum, Wohnort in ungeschützte bzw. frei zugängliche Datenbanken hochladen (bspw. Internet-Ahnendatenbanken).
Es ist theoretisch möglich, dass Forscherinnen und Forscher bei der Forschung mit genetischen Daten von Patientinnen und Patienten etwas erkennen, das für die Patientinnen und Patienten eine neue Information mit Bedeutung für ihre persönliche Gesundheit sein könnte.
Bei der Verwendung der Daten von Patientinnen und Patienten durch die MII geht es um Forschung zum Nutzen (siehe Frage 14) zukünftiger Patientinnen und Patienten und nicht um die Diagnose oder Behandlung der Patientinnen und Patienten (siehe Frage 16), von denen die Daten stammen. Trotzdem ist es denkbar, dass in seltenen Fällen ein Forscher oder eine Forscherin bei der Forschung mit Daten von Patientinnen und Patienten etwas gesundheitlich Wichtiges (eine Zusatzinformation) erkennt, das bis dahin nicht entdeckt wurde.
Dass Forscherinnen und Forscher bei der Verwendung genetischer Daten etwas erkennen, das für die Patientinnen und Patienten vielleicht neu und gesundheitlich bedeutsam ist, kann auf zwei Weisen passieren: Es ist erstens möglich, wenn im Zuge der Diagnostik und Behandlung (siehe Frage 1) genetische Daten erzeugt wurden und die behandelnden Ärztinnen und Ärzte darin eine wichtige Information nicht erkannt bzw. nicht entdeckt haben, die dann später von einem Forscher oder einer Forscherin entdeckt wird. Allerdings erscheint uns diese Möglichkeit zum jetzigen Zeitpunkt als sehr unwahrscheinlich. Die zweite Möglichkeit dafür, dass Forscherinnen und Forscher eine genetische Information entdecken, die für den Patienten oder die Patientin neu und individuell gesundheitlich wichtig sein könnte, ergibt sich mit der Erzeugung von zusätzlichen genetischen Daten aus Biomaterialien (siehe Frage 2). Da es sich dabei um genetische Daten handelt, die noch kein Arzt/keine Ärztin untersucht hat, ist hier die Möglichkeit für die Entdeckung einer neuen gesundheitsrelevanten genetischen Information größer. Nach aktuellem Kenntnisstand halten wir es allerdings für sehr unwahrscheinlich, dass Forscherinnen und Forscher auf derartig neue und für den einzelnen Patienten individuell gesundheitsrelevante genetische Zusatzinformationen stoßen. Die Forscherinnen und Forscher suchen in großen Datenmengen nach Mustern bzw. nach neuen allgemeinen Erkenntnissen; sie suchen in aller Regel nicht nach individuellen Eigenschaften von bestimmten einzelnen Patientinnen und Patienten.
Eine von Forscherinnen und Forschern neu entdeckte Information mit möglicher individueller gesundheitlicher Bedeutung für die Patientinnen und Patienten, von denen die Daten stammen, wird im Folgenden in diesem Informationsangebot als „individuelle Zusatzinformation“ bezeichnet.
Wir verwenden hier den Begriff „individuelle Zusatzinformation” für alle Arten von Informationen, die anhand der Daten eines einzelnen Patienten/einer Patientin bei der Forschung gefunden und für seine/ihre Gesundheit individuell wichtig sein können. Dieser Überbegriff “individuelle Zusatzinformation” kommt in den Texten zur Aufklärung und Einwilligung der MII nicht vor. In den MII-Texten zur Aufklärung und Einwilligung verwendet die MII die Begriffe „Auswertungsergebnisse“ und „Analyseergebnisse“ (siehe dazu vor allem den Abschnitt 1.5 „Welcher Nutzen ergibt sich für Sie persönlich?“ aus der MII-Patienteninformation). Die MII-Dokumente unterscheiden damit zwei verschiedene Arten dessen, was wir unter dem Begriff “individuelle Zusatzinformationen” zusammenfassen: „Auswertungsergebnisse“ von erheblicher Wichtigkeit und großer Dringlichkeit; „Analyseergebnisse“ von weniger großer Wichtigkeit und Dringlichkeit.
24.1 Auswertungsergebnisse: erhebliche Wichtigkeit
Ein Auswertungsergebnis von erheblicher Wichtigkeit liegt vor, wenn die individuelle Zusatzinformation auf eine große und dringliche Gefahr für Leben oder Gesundheit von Patientinnen und Patienten hinweist, z. B. im Falle einer akuten Lebensgefahr. Es muss sich außerdem um einen “behandelbaren” Fund handeln, das heißt: Es müssen medizinische Maßnahmen bekannt sein, die es erlauben, der mit dem Fund erkannten (möglichen) Erkrankung präventiv oder therapeutisch entgegenzuwirken. Dabei könnte es sich zum Beispiel um den Befund einer genetischen Variante (siehe Frage 8) handeln, von der bekannt ist, dass Patientinnen und Patienten mit dieser Variante bei der Behandlung mit einem bestimmten Medikament in der Regel schwere Nebenwirkungen entwickeln. Nach solchen Befunden wird im Rahmen von Forschungsprojekten nicht aktiv und systematisch gesucht. Patientinnen und Patienten haben im Vorfeld während der Aufklärung und Einwilligung nicht die Möglichkeit, abzulehnen, dass ihnen derartige zufällig entdeckte und besonders wichtige Auswertungsergebnisse im Falle ihres Auftretens zurückgemeldet werden. Mit anderen Worten ist vorgesehen, dass diese Auswertungsergebnisse von erheblicher Wichtigkeit, falls sie auftreten, in jedem Fall an die Patientinnen und Patienten zurückgemeldet werden können.
Die MII hat sich nach reiflicher Überlegung und internen Diskussionen bewusst dafür entschieden, dass Auswertungsergebnisse von erheblicher Wichtigkeit an den Patienten/die Patientin zurückgemeldet werden, ohne dass der Patient/die Patientin diese Möglichkeit im Vorfeld in seiner/ihrer Einwilligung ausschließen kann. Das Recht der Patientinnen und Patienten auf Nichtwissen, d. h. das Recht darauf, dass Dritte sie nicht ohne vorherige Einwilligung auf genetische Risikoanlagen oder andere genetischen Besonderheiten informieren, wird damit eingeschränkt. Aus Sicht der MII überwiegt in Fällen dringlicher Auswertungsergebnisse die Fürsorgepflicht der Ärztinnen und Ärzte. Die gesetzliche und ethische ärztliche Fürsorgepflicht kann eben genau gebieten, dass die Ärztinnen und Ärzte die Patientinnen und Patienten auf besonders gefährliche und medizinisch behandelbare Befunde hinweisen. Bei genetischen Auswertungsergebnissen muss die Rückmeldung an die Patienteninnen und Patienten über einen Arzt bzw. eine Ärztin mit humangenetischer Qualifizierung erfolgen.
Die Wahrscheinlichkeit, dass es in der Realität überhaupt zu genetischen Auswertungsergebnissen von derart großer Bedeutung und Dringlichkeit kommt, die in jedem Fall an Patientinnen und Patienten gemeldet werden, ist nach unseren aktuelle Einschätzungen verschwindend gering.
24.2 Analyseergebnisse: mittelgroße Wichtigkeit
Als Analyseergebnisse werden in der Patientenaufklärung und Einwilligung der MII diejenigen individuellen Zusatzinformationen bezeichnet, die für Patientinnen und Patienten potenziell gesundheitlich bedeutsam sind, aber z. B. nicht akut überlebenswichtig. Im Vergleich zu den besonders dringlichen Auswertungsergebnissen haben Analyseergebnisse eine geringere Wichtigkeit und Dringlichkeit für die persönliche Gesundheit der Patientinnen und Patienten. Ein genetisches Analyseergebnis mit individueller Gesundheitsbedeutung könnte z. B. ein mehrfach erhöhtes Risiko dafür sein, eine bestimmte Krebserkrankung zu entwickeln. Es muss sich außerdem, wie auch bei den besonders erheblichen Auswertungsergebnissen, um einen Fund handeln, der „behandelbar“ und damit für den Patienten/die Patientin individuell nützlich ist. Das heißt: Es müssen medizinische Maßnahmen existieren und bekannt sein, die es erlauben, der mit dem Analyseergebnis erkannten (möglichen) Erkrankung präventiv oder therapeutisch entgegenzuwirken. Im Gegensatz zu den besonders erheblichen Auswertungsergebnissen haben Patientinnen und Patienten im Vorfeld, während der Aufklärung und Einwilligung, die Möglichkeit, einzuwilligen oder abzulehnen, dass ihnen Analyseergebnisse im Falle ihres Auftretens zurückgemeldet werden. Aus der Rückmeldung eines Analyseergebnisses kann sich für den betroffenen Patienten/die betroffene Patientin ein medizinischer Vorteil ergeben, aber eventuell kann es auch zu Belastungen (siehe Abschnitt 18.4) wie Beunruhigung oder der Notwendigkeit zusätzlicher medizinischer Untersuchungen kommen. Im Fall, dass Patientinnen und Patienten im Vorfeld dazu einwilligen, dass ihnen ein Analyseergebnis zurückgemeldet werden darf, und ein genetisches Analyseergebnis dann wirklich auftritt, muss die Rückmeldung an die Patientinnen und Patienten über einen Arzt bzw. eine Ärztin mit humangenetischer Qualifizierung erfolgen.
Die Rückmeldung von genetischen Auswertungsergebnissen oder Analyseergebnissen erfolgt nur in der Annahme, dass es für die betroffenen Patientinnen und Patienten medizinisch nützlich ist, z. B. um eine bisher unerkannte gefährliche Erkrankung frühzeitig festzustellen und zu behandeln. Dennoch können sich aus der Rückmeldung auch Belastungen oder Risiken für Patientinnen und Patienten ergeben, wie z. B.: Beunruhigungen und Sorgen; Notwendigkeit zusätzlicher Untersuchungen zur Abklärung; eventuelle Auskunftspflichten beim Abschließen von Versicherungen, Überdenken der eigenen Familienplanung. Zusätzlich kann die Situation entstehen, in der man darüber entscheiden muss, ob man Verwandte (siehe Abschnitt 17.3) über ein bestimmtes vererbliches Risiko aufklärt, obwohl man gar nicht weiß, ob sie überhaupt auf ihre potentiellen genetischen Risiken angesprochen werden möchten. Wenn man Verwandte auf ihr genetisches Risiko aufmerksam machen möchte, so kann das aus mehreren Gründen für alle beteiligten Personen auch schwierig und belastend sein. Da die betroffenen Patientinnen und Patienten nur durch einen Arzt oder eine Ärztin im Rahmen einer humangenetischen Beratung genetische Zusatzinformationen erhalten, haben die Patientinnen und Patienten mit dem Arzt/der Ärztin jedoch auch einen Ansprechpartner, der sie bei der Frage berät, ob und wie sie Verwandte auf mögliche genetische Krankheitsanlagen hinweisen sollten.
Im Internet gibt es weitere Informationen zur Medizininformatik-Initiative (MII).
Offizielle Dokumente und Informationen über die MII
Im vorliegenden Informationsangebot wird auf verschiedene Informationen und Dokumente der MII verwiesen. Diese und weitere Informationen der MII sollen im Folgenden aufgelistet werden:
- Link zur Website der MII
- FAQ: häufig gestellte Fragen zur MII
- Aktuelle Verträge in Verwendung
- Link zum Erklärfilm über die MII auf YouTube
- Link zur Patientenaufklärung der MII
- Link zu Übersetzungen der Patientenaufklärung der MII in andere Sprachen